Badische Zeitung, 27.04.2015: Frühlingsfest und Flohmarkt XXL

Der kleine Heitersheimer Stadtteil erlebte gestern großen Zustrom / Die Bewirtungserlöse sichern soziale Aufgaben und Projekte.

HEITERSHEIM. Wäre gestern eine Drohne über Gallenweiler geflogen, der kleine Heitersheimer Stadtteil hätte sich als Epizentrum eines frühlingsfestlichen Dorfflohmarkt-Bebens entpuppt. Nicht nur innerorts waren Wohngebiete zugeparkt. Richtung Heitersheim, Staufen, Eschbach und Schmidhofen reihte sich kilometerweit Auto an Auto. Der ganze Ort präsentierte sich als einziger Bazar. Es wurde nach Herzenslust gefeilscht, gevespert, musiziert und informiert.

Seit 16 Jahren kehren die Galleweilemer die Inhalte ihrer Häuser an einem Tag im April von innen nach außen, bieten sie in Vorgärten, Garagen und Einfahrten zum Kauf an – aber es wird nicht weniger. “Ist das schön hier – und so gemütlich”, begeistert sich eine Frau, die schon eine Stunde vor dem offiziellen Startschuss auf der Suche nach Brauchbarem ist.

Das Angebot überwältigt. Es gibt nichts, was es hier nicht zu kaufen gäbe. “Größe 38? Da könnte diese Jacke passen”, hört man an einem überquellenden Kleiderständer. “Was wollen Sie für die Mörser aus Bronze?”, wird ein Anbieter gefragt. “Zehn Euro pro Stück oder 50 für alle sechs”, ist die Antwort. “35”, will der Interessent handeln. “Nein.” Die Verkäuferin bleibt hart. Woanders geht ein Internet-Router für neun Euro über den Tisch. Glück gehabt. Auf einem Anhänger steht eine riesige Kamera. Mehr als 60 Jahre alt sei sie, schätzt der Besitzer. Gefertigt in der DDR mit Zeiss-Objektiven. Sie erregt Aufsehen, aber ein Liebhaber, der sie für 500 Euro mitnimmt, findet sich nicht so leicht.

Beim Bürgerhaus ist das Frühlingsfest in vollem Gange. Wer hier isst und trinkt unterstützt den Kinderclub und die Afrika-Projekte von Tukolere Wamu. Beide Vereine teilen sich den Erlös aus der Bewirtung. Der Bürgerverein unterstützt in der Küche und organisiert das kulturelle Programm. Jugendliche backen Waffeln, um ein bisschen Geld für ihren Raum zu verdienen. Einen Teil geben sie für Kinder in Uganda. Hinter dem Bürgerhaus-Tresen verkauft Mahamadou Adzegba Getränke. Der Afrikaner ist eigentlich Medizinischer Assistent und macht gerade ein Klinikpraktikum in Oberhausen. Die Tukolere-Wamu-Vorsitzende Gertrud Schweizer-Ehrler hat ihn eingeladen. Zum einen wird bei dem großen logistischen Aufwand jede Hand gebraucht, zum anderen lernt der junge Mann, wie hart Spendengelder erarbeitet werden müssen. Er koordiniert in seiner Heimat Togo den Bau eines Jugend- und Gesundheitszentrums für insgesamt 100 000 Euro, das von Tukolere mit 10 000 Euro pro Jahr finanziert wird. “Es macht viel Arbeit, das Geld zusammen zu bekommen”, sagt er. So etwas wie hier habe er in Afrika noch nicht erlebt.

Auf der nahen Straßenkreuzung wechseln sich verschiedene Nachwuchsmusiker-Gruppen ab und ernten für ihre Unterhaltung den Applaus großer Menschentrauben. Wer es ruhiger mag, lässt sich im Privat-Café Gunzenhauser am Ortsrand verwöhnen. Der Gewinn aus dieser Initiative im heimischen Garten geht jedes Jahr an den Kinderclub. So ist Gallenweiler. Wenn schon ein Fest, dann XXL. Und allen meteorologischen Unkenrufen zum Trotz blieb alles trocken. Auch das, was abends wieder zurück in die Keller und Speicher musste. Im nächsten Jahr kommt es bestimmt wieder raus.

 

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