bw Woche, 14. April 2008

Eine Projektreise mit dem Verein Tukolere Wamu führt nach Uganda

von Beate Rygiert

Aus dem Breisgau nach Afrika und zurück: Menschen gestalten eine Welt, indem sie zusammenarbeiten und so sich und anderen helfen. Dazu gehört jedoch ebenso das gemeinsame Feiern. Über die Hochzeit eines Ehepaars aus Staufen freuen sich auch die Ugander. Solche Feste verbinden.

Es ist heiß in der Kirche von Kolonyi Village. Rund dreihundert Menschen, vor allem Frauen und Kinder, warten schon seit dem Morgen auf das Brautpaar, um sich die besten Plätze zu sichern. Da, endlich hört man Singen und rhythmisches Trommeln. „Sie kommen!“, schreien die Kinder und stürmen hinaus. Ein festliches Gefolge geleitet das Brautpaar zur Kirche, Schritt um Schritt in einer rituellen Prozession. Die Begeisterung der Gäste ist unbeschreiblich. Denn heute geschieht etwas Unerhörtes: Ein Paar aus Deutschland lässt sich in der einfachen Dorfkirche in Ostuganda, nahe der Stadt Mbale, trauen! So etwas gab es noch nie. Dafür kam eigens der Bischof des Distrikts nach Kolonyi. Was für Reingart und Josef Stöckle aus Staufen eine spontane Entscheidung war, schlägt in Uganda hohe Wellen. Zehn Radiosender berichten von dieser Ausnahmehochzeit. Viele Zeitungen drucken später Fotos von den „Muzungus“, die ihre Verbundenheit mit Uganda mit dieser Geste zum Ausdruck bringen. Die Botschaft kommt an. Dies ist völlig im Sinne des Vereins „Tukolere Wamu“, was in Uganda „Gemeinsam arbeiten“ heißt. Und hier wird also nicht lediglich gemeinsam gearbeitet, sondern auch gemeinsam gefeiert. „Lasst Euch bloß nicht wieder scheiden“, gibt der Bischof mit auf den Weg. „Die Menschen von Kolonyi Village, ja, alle Ugander würden sich persönlich beleidigt fühlen!“ Aber das haben Josef und Reingart ja auch gar nicht vor.

stoeckle-hochzeit

Afrika – ein verlorener Kontinent?

Aus Afrika gelangen normalerweise bloß Hiobsbotschaften zu uns. Eine neue Hungersnot. Kämpfe zwischen ethnischen Gruppen. Korruptionsfälle. Wahlbetrug. Und selbstverständlich: Aids. Daran haben wir uns in Europa seit Langem gewöhnt. Auch als Urlaubsziel ist Afrika bekannt: Kenia und Tansania locken mit spektakulären Landschaften einschließlich Flora und Fauna, Südafrika mit Wein und herrlichen Stränden, Namibia ist vor allem für jene interessant, die sich in einem Land bloß dann wohlfühlen, wenn sie die eigene Sprache sprechen können. Ansonsten gilt eine Reise nach Afrika immer noch als ein Abenteuer. Und Uganda? Wo liegt das überhaupt? Um das Land am nördlichen Ufer des Viktoriasees, westlich von Kenia, südlich vom Sudan, im Osten begrenzt von der Volksrepublik Kongo, ist es ruhiger geworden. Fast dreißig Jahre ist es her, dass die Diktatur von Idi Amin beendet wurde. Unter Museweni fand Uganda zu einer demokratisch inspirierten Staatsform. In den Städten Kampala, Entebbe und dem am Nilursprung gelegenen Ferienort Jinja gibt es einen gewissen Wohlstand der führenden Schicht. Doch schon wenige Kilometer außerhalb auf dem Land ist die Armut unverkennbar. Dabei müsste es nicht so sein. Durch seine hohe Lage auf durchschnittlich 1000 Metern über dem Meeresspiegel verfügt Uganda selbst am Äquator über ein gemäßigtes Klima mit ausreichend Niederschlägen. Es sind die ungleichen Eigentumsverhältnisse und Misswirtschaft, Unkenntnis und die Zerstörung von traditionellen Familienstrukturen, die die Mehrzahl der Ugander in die Armut zwingt. Doch der Wille, etwas zum Guten zu verändern, ist da. Und zwar in der Bevölkerung vor allem unter denen, die am meisten betroffen sind: den Frauen.

Eine Heilpflanze bringt Hoffnung.

Die Frauen sind es auch, die am stärksten unter der Aids-Epidemie leiden. Der Virus hat viele von ihnen zu Witwen gemacht, nun müssen sie sich und ihre häufig ebenfalls infizierten Kinder allein durchbringen. Sterben die Mütter, sind es die Großmütter, die eine Enkelschar großziehen müssen. Durch eine vorbildliche Aufklärungskampagne ging in Uganda die Aids-Rate im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern zurück. Doch noch immer ist die Not groß. Vor vier Jahren startete Tukolere Wamu e.V. ein Projekt, um diesen Frauen und ihren Kindern zu helfen. Eine Heilpflanze aus den Wüsten des südlichen Afrikas bringt seither Hoffnung und Stärkung. Sutherlandia frutescens heißt das Kraut, das in Südafrika viele verschiedene Namen trägt und seit Generationen zu den wichtigsten traditionellen Heilkräutern gehört (siehe Kasten). Mit ihrer immunmodulierenden Wirkung ist sie in der Lage, den geschwächten  Organismus enorm zu unterstützen. Selbstverständlich kann auch Sutherlandia den HIV-Virus nicht besiegen und damit Aids nicht heilen. Gegen die typischen Krankheiten, denen Aids-Patienten meistens erliegen, wirkt Sutherlandia allerdings in erstaunlichem Maß. Diese Erfahrung machen in Südafrika seit rund zehn Jahren bereits Tausende von Patienten. Auch in Salem-Mbale berichten die 25 Patienten, die seit drei Jahren mit der Pflanze versorgt werden, durchweg von positiven Erfahrungen. Offene Hautausschläge am ganzen Körper heilten ab. Bronchialhusten verschwand. Durchblutungsstörungen in den Beinen nahmen stark ab. Appetit kehrt zurück. Geschwächte Patienten nahmen wieder an Gewicht zu, fassten neuen Lebensmut. „Ich fühle mich stark“, sagt Dorothy N., die wir auf ihrem Feld antreffen, wo sie Hirse für sich und ihre Kinder einsät. Vor zwei Jahren, ehe sie Sutherlandia das erste Mal erhielt, konnte sie kaum aufstehen, um uns zu begrüßen. Nicht einseitige Hilfe – Geben und Nehmen. Die Menschen in Afrika nicht als Almosenempfänger zu behandeln, sondern als gleichwertige Partner einer gemeinsamen Arbeit, das ist  der Ansatz aller Projekte des in Heitersheim bei Freiburg angesiedelten Vereins Tukolere Wamu. Ob es  um die Stärkung von Hebammen geht, die traditionell arbeiten, von Dorfgemeinschaften, um die Unterstützung von Nähstuben, um Wiederaufforstungsprogramme, Hilfe beim Bau von Schulen und Gesundheitszentren – um einige Beispiele zu nennen –, stets geht es darum, die Initiativen vor Ort zu unterstützen. Dabei lernen die Partner aus Deutschland ebenfalls ständig dazu. „Es ist ein Geben und Nehmen“, sagt Gertrud Schweizer-Ehrler, „wer sich einmal auf Afrika eingelassen hat, nimmt eine Menge mit nach Hause. Die meisten kommen immer wieder nach Uganda zurück.“ Auch das Ehepaar Stöckle wird wiederkommen. Schon seit Jahren unterstützen sie die Arbeit des Vereins. Ihre Hochzeitsfeier, eine echte afrikanische Nacht mit Trommeln und Tanzen bis in die frühen Morgenstunden, werden sie gewiss nie vergessen. So entstehen Freundschaften fürs Leben. Freundschaften, die von Baden-Württemberg bis  mitten nach Afrika reichen.

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