Bericht von Pater Clemens Knobelspies zu Weihnachten 2012

Bukavu, Weihnachten 2012

Liebe Freunde in der Heimat,

In diesen Tagen habe ich von jemandem gelesen, dass er mitten in der Nacht vom Schlaf aufwachte mit dem Gedanken: „Weihnachten fällt aus!“ Stellt Euch das einmal vor: Weihnachten fällt aus. Das geht doch gar nicht! Dieses Fest ist so fest in unserer Kultur , im Lebensgefühl vieler Menschen, im Jahreskreis verankert, dass es gar nicht ausfallen kann. Es liegt eine eigenartige Stimmung über diesen Tagen, an denen wir die Geburt Jesu Christi, des Sohnes Gottes und Mariens als kleines Kind feiern.
Aber dennoch gibt es viele Menschen, die Weihnachten nicht frohen Herzens feiern können, zum Beispiel in Kriegsgebieten, wie in manchen Gebieten des Kongo, wo die Bevölkerung überfallen, ausgeplündert, misshandelt und massakriert wird und Frauen vergewaltigt werden.
Hier im Kongo wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht wird. Schon die Kinder werden ungleich behandelt. Während der Junge vorzugsweise die Schule besuchen kann oder in der Freizeit Fussball spielen darf, muss seine Schwester Hausarbeiten verrichten und auf die kleineren Geschwister aufpassen.

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Wenn ich aber in den verschiedenen Pfarreien kleine Kinder taufte, kam mir immer wieder der Gedanke, dass die afrikanische Frau am schönsten ist, wenn sie etwa ein Jahr nach der Hochzeit ihr erstes Kind zur Taufe bringt. Dann ist sie in ihren neuen Kleidern ganz stolz, dass sie ein Kind gebären konnte; nun ist sie eine Persönlichkeit. Und nach der Geburt des dritten Kindes wird sie geachtet als Ehefrau und Mutter von Kindern.
Aber bei den Überfällen wird nun seit einigen Jahren die Vergewaltigung von Frauen jeden Alters, vom kleinen Mädchen über die erwachsene Frau und Mutter von Kindern bis zur Grossmutter, als Kriegswaffe praktiziert. Öfters ist es sogar vorgekommen, dass zum Abschluss der Vergewaltigung das Gewehr in den Mutterleib gestossen und hineingeschossen wurde.
Im Krankenhaus von Panzi, einem Vorort von Bukavu, behandelt seit Jahren der sehr bekannte und geschätzte Gynäkologe Dr. Denis Mukwege viele Mädchen und Frauen, die misshandelt wurden, und versucht, ihnen wieder neue Hoffnung auf ein einigermassen normales Leben zu geben. Er hat dafür schon einige Preise als Anerkennung bekommen.
Aber am 26/10/12 verbreitete sich überall sehr schnell die Nachricht, dass Dr. Mukwege, als er am Abend nach Hause kam, von bewaffneten Banditen überfallen und geschlagen wurde. Als sie schossen, warf sich der Arzt auf den Boden und kam so mit dem Leben davon. Aber sein Hausangestellter ist erschossen worden, als er die Nachbarn alarmieren wollte. Danach haben die Banditen mit seinem Auto die Flucht ergriffen. Daraufhin ist er mit seiner Familie geflüchtet, um sich in Sicherheit zu bringen. Nun beklagen sich viele Frauen, wer sie in Zukunft behandeln und ihnen beistehen wird.
Erfreulicherweise gibt es von diesem nun zu Ende gehenden Jahr auch noch von anderen Ereignissen zu berichten. Nach vielen Jahren bekam ich im Februar wieder einmal Besuch aus meinem Heimatdorf Nenzingen. Renate Längle vom „Schönenberger Hof“ war über eine Woche lang hier, so dass ich ihr vieles zeigen konnte, was ich für wichtig hielt und sie interessierte, besonders die Druckerei „Kivu-Presses“, für die ich seit zwei Jahren verantwortlich bin, das Zentrum für behinderte Kinder „Centre Heri Kwetu“, das grosse Provinzkrankenhaus mit der Station für unterernährte Kinder, meine erste Pfarrei Murhesa, wo ich vor 40 Jahren begonnen habe, und vieles andere. Renate war sehr beeindruckt und meinte, sie könne das nicht mehr vergessen.
Dieser Besuch war für mich wie ein Geschenk und ein Zeichen der Verbundenheit mit meinem Heimatort, wo ich am 9. Juli 1972, also vor 40 Jahren, zum Priester geweiht worden bin. Am Jahrestag der Priesterweihe war ich in Goma am Nordufer des Kivu-Sees, wo ich an Exerzitien, d.h. eine Woche lang geistliche Einkehrtage, teilnahm und somit diesen Tag in Ruhe verbringen konnte. Dabei habe ich mich in Dankbarkeit erinnern können, dass Gott mich in all diesen Jahren geführt und besonders in manchen Gefahren beschützt hat, dass ich mit vielen Menschen zusammengearbeitet habe und dass mich viele gute Menschen begleitet und bei meiner Tätigkeit hier im Kongo unterstützt haben.
Ich habe mich gefreut, dass meine Heimatpfarrei am Ulrichsfest, d.h. am Patrozinium, sich wieder an meine Priesterweihe erinnert und mich mit ihrem Gebet begleitet hat. Allen meinen Freunden in der Heimat, die mich beglückwünscht und sogar eine Spende geschickt haben, möchte ich nochmals ganz herzlich danken.
Da dieses Geld in Erinnerung an meine Priesterweihe als Afrikamissionar gespendet wurde, wollte ich es für die Ausbildung unserer jungen afrikanischen Missionare verwenden. So konnte ich unserem Seminar „Rusizi“, in dem unsere jungen Kandidaten aus den drei Nachbarländern Kongo, Rwanda und Burundi Philosophie studieren, 2.000,-Euro übergeben. Diese Kandidaten werden in ein paar Jahren unsere Arbeit als Afrikamissionare fortsetzen. In diesem Jahr konnte dieses Haus das Jubiläum von 30 Jahren seiner Existenz begehen. Die Missionszeitschrift „Kontinente“ berichtet in der letzten Ausgabe dieses Jahres davon.
Genau zwei Monate nach der Priesterweihe, also am 9. September 1972, bin ich zum ersten Mal nach Bukavu gekommen. So hat mir heute Morgen ein junger kongolesischer Priester, der erst drei Jahre nach meiner Ankunft geboren wurde und dessen Vater und Grossvater ich als Katechisten gekannt habe, gesagt, ich sei mehr „Mushi“ als er (Mushi ist ein Bewohner der Gegend um Bukavu).
Am Sonntag, dem 19. August war ich in der Pfarrei Mubumbano, etwa 60 km von Bukavu entfernt. Da ich diese Pfarrei vor 25 Jahren gegründet habe, konnte sie nun das silberne Jubiläum ihrer Existenz feiern. Gleichzeitig wurden drei neue Priester geweiht, wovon einer von Mubumbano stammt.
Vor kurzem kam ein brasilianischer Mitbruder in unsere Hausgemeinschaft und arbeitet nun mit mir in der Druckerei. Er heisst Bruder Luciano Fuchs. Obwohl er einen deutschen Nachnamen hat, sagt er, dass er vollkommen Brasilianer sei. Nachforschungen haben ergeben, dass seine Vorfahren aus dem Schwarzwald stammten, nach Rumänien ausgewandert und von dort nach Brasilien weitergereist sind. Er sagte, dass sein Vater noch einen deutschen Dialekt gesprochen habe; seine Mutter sei Brasilianerin.
Ich möchte Euch allen nochmals ganz herzlich danken für Eure Verbundenheit in dem zu Ende gehenden Jahr und für Eure grosszügige Unterstützung. Die meisten Spenden, die ich von Euch erhalten habe, gingen an das „Centre Heri Kwetu“ und den Sozialdienst im Provinzkrankenhaus, wo die Schwestern Teresa und Helena sie jeweils ganz dankbar entegegennahmen.
Nun wünsche ich Euch allen, dass bei Euch Weihnachten nicht ausfällt, sondern dass Ihr ein friedliches Weihnachtsfest begehen könnt. Dann wünsche ich Euch Gottes Segen für das kommende Jahr.
Viele herzliche Grüsse sendet
Clemens Knobelspies

Siehe auch: www.kath-krebsbachtal-hegau.de

 

Der Bericht als PDF.

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