Schwäbische Zeitung Online, 27. Juni 2012

Wir brauchen Schreiner, die Tische bauen und keine Särge

Von Sabine Centner

Leutkirch Der Verein Tukolere Wamu hat im Bocksaal über ehemalige Kindersoldaten in Uganda informiert.

Entsetzen über Vergangenes, Hoffnung für die Zukunft: Mit der ganzen Spannweite dieser Gefühle sind die Besucher der Informationsveranstaltung zum Thema Kindersoldaten in Uganda am Montagabend nach Hause gegangen. Unter dem Motto „Ihr Lachen klingt wie Weinen“ hatten der Verein Tukolere Wamu, die Volkshochschule, der Missionsausschuss der katholischen Kirchengemeinde St. Martin und der Weltladen in den Leutkircher Bocksaal eingeladen, und zahlreiche interessierte Bürger waren gekommen. Vorgestellt wurde dabei auch das Buch gleichen Titels, in dem ehemalige Kindersoldaten zu Wort kommen und von ihren schrecklichen Erlebnissen berichten – von Entführung, Zwangsrekrutierung und Flüchtlingslagern, von Bedrohung, Morden und Gräueltaten.

220 Mitglieder hat der Verein Tukolere Wamu bundesweit – allein 30 davon in Leutkirch. „Wir arbeiten gemeinsam“ heißt Tukolere Wamu übersetzt, gemeinsam für eine Welt. Hilfe zur Selbsthilfe soll in Afrika gegeben werden, einige der vielen Projekte laufen mit den Comboni-Missionaren in Uganda. Direkt aus Afrika war Bernadeta Manisula gekommen, 22 Jahre alt und ehemalige Schülerin im St. Mary’s College in Aboke. Von dort wurden im Oktober 1996 bei Nacht und Nebel 139 Schülerinnen von Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) entführt, der sogenannten Widerstandsarmee des Herrn des berüchtigten Joseph Kony. Die meisten von ihnen wurden bald wieder freigelassen, weil sich die Comboni-Schwestern der Schule vehement für sie eingesetzt hatten, 30 allerdings nahm die paramilitärische Gruppe mit in den Busch. Erst viel später, oft erst nach Jahren, gelang ihnen die Flucht, traumatisiert kamen die Mädchen zurück, mussten sich mühsam wieder im Leben zurechtfinden.

Bernadeta hat sich mit vielen ehemaligen Kindersoldaten unterhalten, deren Vertrauen gewonnen und Interviews mit ihnen geführt. Es sind erschütternde Berichte, die Michael Elsässer und Ulf G. Stuberger unter dem Titel „Ihr Lachen klingt wie Weinen“ jetzt als Buch herausgebracht haben. Geschichten wie die von Richard Nabaale oder Sarah Kamya, die im Bocksaal vorgelesen wurden. Entführt und mit Stockschlägen für jeden Fehlschuss bestraft und gewaltsam zum Töten abgerichtet, überfielen geschätzte 30 000 Kindersoldaten Dörfer, raubten Lebensmittel, mussten Bewohner verstümmeln oder gar umbringen. „Der Tod des Mädchens berührte mich nicht“, sagte Richard Nabaale, nachdem er eine 15-Jährige umgebracht hatte. Jahre später gelang ihm die Flucht aus der Rebellenarmee, jetzt holt er die versäumten Schuljahre nach und hat bereits ein Berufsziel: Architekt.

Selbsthilfeprojekte unterstützen

Hier, beim Thema Bildung, setzt die Arbeit von Tukolere Wamu an, wie Gertrud Schweizer-Erler, Gründungsmitglied und Vorsitzende des Vereins, sagte. Neun Jahre hat sie als Krankenschwester in Uganda gelebt und ist überzeugt: „Viele kleine Leute können viele kleine Dinge bewegen.“ Vor allem Selbsthilfeprojekte werden unterstützt, Projekte mit den Schwerpunkten Gesundheit, Hilfe für Behinderte, Gesundheit, Umweltschutz und eben Bildung. Seit 2008 herrscht Frieden in Uganda, auch wenn noch kein offizieller Friedensvertrag geschlossen wurde, und die Herausforderungen sind immens. „Wir wollen ehemaligen Kindersoldaten und ihren Opfern ermöglichen, die Schule zu besuchen“, sagt Schweizer-Erler. Schulen wie das St.Mary’s College der Comboni-Schwestern. Traumatisierten Kindern muss psychologisch geholfen, Wege zur Berufsausbildung sollen geebnet werden. „Wir brauchen Schreiner, die Tische bauen, keine Särge“, macht die Vereinsvorsitzende klar.

Auch Gerlinde Brünz aus Leukirch, stellvertretende Vorsitzende und ebenfalls Gründungsmitglied von Tukolere Wamu, weiß um die Probleme. Sie war selbst zwei Jahre in der Entwicklungshilfe in Uganda tätig und ist zusammen mit ihrem Ehemann Heinz Brünz im Verein aktiv. Mithilfe zuverlässiger Partner sollen die jungen Menschen in ihrer Ausbildung unterstützt werden – Menschen wie Richard, Sarah oder Agnes. Auch Agnes wurde aus dem St. Mary’s College entführt, erlebte acht Jahre lang als Kindersoldatin, was es heißt: „Wer nicht töten will, wird selbst getötet.” Sie hat nun nur einen Wunsch: Ärztin zu werden.

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Engagieren sich gemeinsam für ehemalige Kindersoldaten in Uganda: Bernadeta Manisula (Mitte), Gertrud Schweizer-Ehrler (rechts), erste Vorsitzende des Vereins Tukolere Wama, und Gerlinde Brünz, zweite Vereinsvorsitzende. (Foto: Sabine Centner)

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