Badische Zeitung, 11. Juli 2012

Vom Leben der Kindersoldaten

Die Journalistin Bernadetta Manisula hat 20 Betroffene in Uganda interviewt – und jetzt Heitersheimer Schülern davon erzählt.

120711_BZ_Vom Leben der Kindersoldaten

Bernadetta Manisula im Gespräch mit Neuntklässlern der Johanniter Realschule Heitersheim Foto: Model

HEITERSHEIM. Die Neuntklässler der Johanniter-Realschule in Heitersheim haben mit Kindersoldaten in Uganda kaum Berührungspunkte. Dennoch ließen sie sich für das Thema sensibilisieren. Dafür sorgten besondere Gäste im Unterricht, die mit dem im Mai erschienen Buch “Ihr Lachen klingt wie Weinen” bundesweit unterwegs sind. Herausgeber ist der Stuttgarter Michael Elsässer, Mitglied im Verein “Tukolere Wamu”, dem der Erlös für Projekte zufließt. Vorsitzende Gertrud Schweizer-Ehrler hatte die Zeitzeugin Bernadetta Manisula aus Uganda einfliegen lassen, die 20 Kindersoldaten interviewte.
Die junge Frau, Mitte zwanzig, ist Vollwaise. Ihre Mutter starb bei der Geburt, ihr Vater als sie acht Jahre alt war. Eine Nebenfrau des Vaters zog mit ihr vom Süden in den Norden Ugandas. Dort machte sie am St. Marys College in Aboke ihr Abitur und studierte Journalismus. Drei Jahre bevor sie an die Aboke High School kam, hatten 1996 Rebellen 139 Mädchen in den Busch entführt. Eine Ordensschwester der Comboni-Missionare konnte 109 wieder freikaufen, 30 mussten in Gefangenschaft bleiben. Zwei sind heute noch vermisst. Bernadettas Freundin war eine der Gefangenen, die irgendwann flüchten konnten. Sie kam traumatisiert an die Schule zurück und wurde dort von den Schwestern unterstützt. Im Januar macht sie ihr Examen als Ärztin. Die damalige Entführung der Mädchen wurde in das Buch aufgenommen und von Astrid Naderhoff vorgelesen.

Siegfried Kunz las die Geschichte eines Jungen, der mit 14 Jahren in seinem Heimatdorf den Rebellen in die Hände fiel, zum Leibwächter des Kommandanten und an der Waffe ausgebildet wurde. Er war bei Plünderungen, Entführungen und Morden dabei, wo Kindern, Schwangeren und Alten Arme und Beine abgehackt wurden. Mit seiner Kalaschnikow musste er einen 20-Jährigen töten, der geflüchtet war. Nach acht Jahren gelang ihm selbst die Flucht. Jetzt würde er gerne die Schule fertigmachen. Es fehlen ihm fünf Jahre und die kosten Geld. Die Familien sind nicht immer in der Lage und bereit, die Kinder, die in ihren Augen so viel Böses getan und gemordet haben, wieder aufzunehmen. Doch wollten dies die Kinder nicht, sie wurden unter Bedrohung ihres eigenen Lebens dazu gezwungen und leiden vielfach unter Alpträumen.

Projekte für die Wiedereingliederung

Die Comboni-Schwestern leisten bei der Rehabilitierung und Resozialisierung wertvolle Arbeit. Bernadetta, die dort immer noch die Friedensgebete leitet, bestätigt das. Sie selber hat bei ihnen eine Heimat gefunden. “Sie gaben mir nicht nur Kleidung, Nahrung und Begleitung”, sagt sie, “sondern vor allem Bildung – ohne die wäre ich ein Leben lang abhängig.” Deshalb möchte Tukolere Wamu mit der Schule in Aboke Projekte zur Wiedereingliederung von einigen der insgesamt 30 000 Kindersoldaten und ungezählten Rebellenopfern unter den drei Millionen Vertriebenen starten.

“Wir brauchen die richtigen Partner vor Ort, um effizient helfen zu können”, weiß Vorsitzende Gertrud Schweizer-Ehrler. Sie hat von 1985 bis 1995 als Kinderkrankenschwester in Uganda gearbeitet und seit 1995 mit dem Verein 115 Selbsthilfeprojekte und fast 50 Folgeprojekte auf den Weg gebracht. Durch ihre Unterstützung der Radiosendung “Karibu” (Willkommen) wagten 1500 Kindersoldaten die Flucht aus den Rebellenlagern. Zuvor hatte man ihnen eingeredet, sie würden von ihren Verwandten verstoßen und dürften nie mehr in die Heimat zurück.

Doch nicht alle Befreiten können sich Schule und Berufsausbildung leisten. Ihnen das zu ermöglichen, sei die beste Weise, sie zu unterstützen, beantwortet Bernadetta eine Schülerfrage. Das Buch erwerben, Tukolere-Mitglied werden, eine Spende tätigen oder eine Patenschaft übernehmen, alles könne dazu beitragen.

Während Gertrud Schweizer-Ehrler den Neuntklässlern die politischen Hintergründe für diese Schicksale erläutert und Bernadetta mit ihrer schlichten Darstellung die Situation lebendig nachvollziehbar macht, wird klar, dass der Krieg in Uganda zwar vorbei, aber noch lange nicht überwunden ist. Jetzt tobt er im Südsudan und Kongo weiter. “An der Politik können wir nichts ändern”, meint Michael Elsässer pragmatisch. Aber dort, wo Hilfe Leiden mindere, könne man eingreifen. “Ihr könnt die Welt verändern”, beendet Bernadetta ihren Part. “Aber alles beginnt bei euch.”

Lehrerin Miriam Danielsson, die den Vortrag organisiert hatte, ist sich ganz sicher: “Das hat die Schülerinnen und Schüler sehr berührt.”

Das Buch: “Ihr Lachen klingt wie Weinen – Kindersoldaten in Uganda”, Herausgeber Michael Elsässer und Ulf G. Stuberger, Verlag Shaker Media, 13,90 Euro.

Der Artikel als PDF