Die Menschen leben mehr miteinander
Martin Kamenisch, langjähriger Pflegedienstleiter der AWO, berichtet heute über seine Erfahrungen als Freiwilliger in Uganda.
Martin Kamenisch beim Baumpflanzen für eine Schule in Uganda, wo er als Freiwilliger arbeitete. Foto: Privat
KENZINGEN. “Freiwilligendienst ist ja das, was die heutigen jungen Menschen zwischen Abitur und Studium machen”, sagt Martin Kamenisch. Der langjährige Pflegedienstleiter der Kenzinger Arbeiterwohlfahrt hat als 52-Jähriger ein Freiwilliges Soziales Jahr in Uganda verbracht. Heute, Dienstag, berichtet er über seine Erfahrungen beim Seniorennetzwerk 50+ im Kenzinger Pflegeheim.
“Im Prinzip wollte ich schon nach meiner Ausbildung als Krankenpfleger etwas im Bereich Entwicklungsdienst tun, aber die meinten: Schaff erst mal was. Nun sind meine Kinder erwachsen, und ich konnte das ermöglichen.” Seit einem Jahr ist der 52-Jährige Pfleger zurück im Beruf und möchte darüber hinaus seine Erfahrungen weitervermitteln.
Wie bei allen Freiwilligendiensten erforderte auch Kamenischs Auslandsjahr zunächst die Selbstfinanzierung über einen Unterstützerkreis. “Die Auseinandersetzung, die dazu im Freundes- und Bekanntenkreis nötig war, hat mir sehr geholfen und meinen Entschluss bestätigt”, sagt Kamenisch. “Das war nicht nur der finanzielle Aspekt – das waren auch 80 Menschen, die dich begleiten, die mit ihren Gedanken bei dir sind.” In Rundbriefen erzählte Kamenisch von seinen Erfahrungen, über Internet kamen
interessierte Nachfragen. “Auch das war eine Bereicherung, sich hinzusetzen und zu überlegen: Was machst du da eigentlich”, bemerkte der Helfer. Ein großer Unterschied im Leben hier und dort? “Die Menschen leben noch viel mehr miteinander, auch weil man viel mehr aufeinander angewiesen ist. Man unterstützt sich gegenseitig bei der Feldarbeit, gibt Informationen weiter und abends sitzt man gemütlich unterm Mangobaum und kocht – eine ganz kommunikative Stimmung. Wenn jemand krank ist, pflegt und versorgt ihn die Familie auch im Krankenhaus. Ein Pflegeheim gibt’s natürlich nicht.” Beeindruckt hat Kamenisch auch der katholische Gottesdienst: “Da läuft der Pfarrer durch die Gemeinde, erzählt und fragt die Leute nach ihrem Alltag. Man trommelt, tanzt – da geht die Post ab!”
Die Erinnerung bringt Kamenischs Augen zum Leuchten: “Bin grad wieder in Afrika”, lacht er. “Im Moment pflanzen sie Erdnüsse. Das geht so: Einer geht mit der Hacke vorweg und macht die Pflanzlöscher, der nächste schmeißt drei Körner rein, der nächste schiebt sie mit dem Fuß zu. Wussten Sie, dass Erdnüsse wirklich in der Erde wachsen?”
Durch den ökumenischen Friedens- und Entwicklungsdienst Eirene werden die freiwilligen Helfer in zweiwöchigen Seminaren auf ihren Einsatz vorbereitet – in diesem Fall in Projekten der Salem Brotherhood Uganda. Ein Zwischenseminar und eine Abschlusswoche dienen dem weiteren Austausch. Gearbeitet hat Kamenisch in dieser Zeit beim Sozialdienst, im Krankenhaus, bei den Community Health Workers und in einem Kinderheim. Hier wird auch Feldarbeit, in Uganda normalerweise Frauensache, für den gelernten Krankenpfleger zum Alltag. Wie überall in dem fruchtbaren Land werden die lebensnotwendigen Produkte selbst angebaut.
Wie sieht man nach dieser Erfahrung den Entwicklungsdienst generell? “Man darf wirklich nicht die Nachhaltigkeit vergessen”, antwortet Kamenisch. “Du musst die Menschen dahingehend begleiten, dass sie das eigenständig machen können. Wenn die Leute das wirklich verstehen, dann klappt das.” Das gehe nicht mit einem Bildvortrag, so Kamenisch weiter. “Eine Gruppe von Menschen geht ins Dorf, man macht ein Theaterstück, das das nötige Wissen vermittelt, zum Beispiel für langfristige Planung.” Und was lernt man als Europäer in einem Jahr Uganda? “Es wird einem ganz bewusst, dass alle Menschen eigentlich nur das Ziel haben, friedlich mit- und nebeneinander zu leben”, antwortet Kamenisch. “Ich glaube, ein Mix aus ugandischer und deutscher Lebensweise wäre in Lebens- und Denkweise eine gute Mischung.”