Badische Zeitung, 23. Juli 2007

BZ-070723 Afrika ist ihr Schicksal

Afrika ist ihr Schicksal

Gertrud Schweizer-Ehrler in Heitersheim war Jahre in Afrika und hilft jetzt zusammen mit einem Verein notleidenden Menschen in Uganda / Von Heike Loesener

Was um Himmels willen bewegt einen Menschen in die Armut nach Afrika zu ziehen?” , fragt sich ein im Wohlstand lebender Durchschnittseuropäer. Schmunzelnd erinnert sich Gertrud Schweizer-Ehrler: “Ich wollte schon als fünfjähriges Mädchen nach Afrika.” Waren es Flausen, die ihr ein Onkel in den Kopf gesetzt hatte, der im Kongo als Priester und katholischer Missionar lebte und in ihrer Kindheit alle drei Jahre nach Deutschland zu Besuch kam? Wenn er seine spannenden Erzählungen und Schilderungen auspackte, lauschte sie gefesselt und mit großer Leidenschaft. Der gute alte Onkel lud sie immer wieder ein, wohl unwissend, wie ernst es der kleinen Nichte mit ihrer Sehnsucht nach Afrika war.

Mit 18 Jahren packte das junge Mädchen, sehr zum Leid ihres Vaters, zum ersten Mal ihr Köfferchen und zog für sechs Wochen in das Land ihrer Träume: Sie fuhr in den Kongo. Aus den Flausen wurde eine tiefe Liebe zu dem Kontinent der ewigen Sonne, die sie nicht mehr losließ. Heute noch bezeichnet Schweizer-Ehrler Afrika als ihre zweite Heimat. Nach ihrem ersten Ausflug in die weite Dürre stand ihr Entschluss fest: Sie wollte um jeden Preis in Afrika leben und arbeiten. Gleichzeitig war ihr auch klar, dass jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt war. Was hätte eine Achtzehnjährige schon in Afrika bewegen können?

Mit klaren Zielen vor Augen begann die gebürtige Schwäbin aus Böbingen an der Rems an der Uni-Hautklinik Tübingen eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Schon dort schummelte sie sich in die Tropenkurse der Medizinstudenten. Das Examen in der Tasche (1982) und ein paar wenige Berufsjahre auf dem Buckel (1985), sattelte sie am “Deutschen Institut für ärztliche Mission” ihr Afrikapferdchen mit einem Basisgesundheitskurs.

Dann endlich flatterte das passende Angebot ins Haus. Die Bruderschaft “Salem” , ein überkonventionelles Hilfswerk für Armutsbekämpfung im oberfränkischen Steinach, gab ihr die Zusage für ein einjähriges Projekt in einem Kinderdorf in Uganda. Überglücklich packte sie ein zweites Mal ihr Köfferchen. “Ich wäre sogar in die Wüste gegangen, so sehr sehnte ich mich nach Afrika” , erinnert sich die agile Frau heute und ihre kleinen Augen strahlen ungebrochene Überzeugung aus.

1985 im ugandischen Kinderdorf angekommen, unweit von Mbale, einer 700 000-Einwohner-Stadt im Osten Ugandas, versorgte sie mit einem deutschen Arzt hilfsbedürftige Kinder. So groß der Traum auch war, so hart holte die Realität sie ein: Schon nach einer Woche schlugen die Wogen der politischen Ereignisse derartig hoch, dass die damals gerade 22-Jährige auf die Zerreißprobe gestellt wurde. Nach einem Regierungssturz von Apollo Milton Obote (Präsident Ugandas von 1966-1971 und 1980-1985) durch seinen Militärchef Bazilio Olara Okello erlebte die junge Frau hautnah viele Gräueltaten, Bedrohungen, eine gesetzlose Zeit. Raub und Plünderung ohne Bestrafung waren allgegenwärtig. Doch die Zähigkeit der zielstrebigen Entwicklungshelferin konnte dies nicht erschüttern.

Auch ein weiterer Regierungssturz im Januar 1986 brach ihren Elan und ihre Beharrlichkeit nicht. Yoveri Museveni löste Okello ab. Museveni ein “ugandischer Robin Hood” , wie ihn Schweizer-Ehrler bezeichnet, brachte neue Visionen ins Land und trieb den Aufbau rapide voran. Im Juni/Juli desselben Jahres war ihr afrikanisches Projektjahr zu Ende, ihr Lebenswerk steckte noch in den Kinderschuhen.

Schon ein Jahr später kehrte sie als Urlauberin zurück. 1987 stellte die Bruderschaft Salem Schweizer-Ehrler erneut in den Dienst Ugandas, diesmal als Leiterin des Kinderdorf-Krankenhauses. Auch dieser zweite Aufenthalt verschonte sie nicht vor Aufregungen und Gefahren. Wieder brachen politische Unruhen in ihr pazifistisch gesinntes Leben ein. Aus dem Norden stammende rebellische Nomaden stürmten nach Ost-Uganda und plünderten nur drei Kilometer entfernt von dem Kinderdorf jegliches Hab und Gut. Fluchtwellen schwappten über das Dorf. Die Ausgeraubten und nun Heimatlosen zogen weiter, verkrochen sich und zogen weiter gen Westen. Auch das Kinderdorf blieb nicht verschont. “Viele Menschen fühlten sich draußen im Busch sicherer als in ihren Hütten” , erinnert sich Schweizer-Ehrler heute. Durch die nun erforderlich gewordene Aufbauhilfe wurde die Projektarbeit im Dorf enorm erschwert.

Doch das Schicksal meinte es gut mit der jungen Schwäbin. Im Land ihrer Träume lernte sie – fast wie im Märchen – auch den Mann ihres Lebens kennen: den Heitersheimer Josef Ehrler, den es mit “Misserio” als landwirtschaftlichen Entwicklungshelfer ebenfalls auf den heißen Kontinent verschlagen hatte. 1993 heiratete das Paar in Uganda und überlegte, wie seine Mission auch nach einer Rückkehr nach Deutschland weiter verlaufen könnte.

1995 gründeten die Ehrlers in Heitersheim den eingetragenen Verein “Tukolere Wamu – gemeinsam für eine Welt” zur Förderung von Selbsthilfe in Afrika, eine rein ehrenamtliche Tätigkeit. Er kümmert sich in Afrika um Bildung, Erziehung, Verbesserung der kümmerlichen Lebensumstände sozial schwacher Gruppen, Förderung von Natur- und Umweltschutz, Erhaltung und Förderung der Gesundheit, Verbesserung der Ernährungslage und angepasster Technologie.130 Mitglieder zählt der Verein heute, viele stammen aus dem Breisgau, einige aus Deutschland und aus der ganzen Welt. “Alles, was wir erfolgreich umsetzen können, die Freude der Menschen in Afrika und ihre große Dankbarkeit bereichern mein Leben” , meint Schweizer-Ehrler mit ungebrochener Emphase.

Der Verein lebt von Mitgliedsbeiträgen, von Förderungen des Landes Baden-Württemberg und der BMZ sowie von Spenden. “66 Projekte konnten wir seit der Gründung bewältigen” , sagt die Vereinsvorsitzende stolz. Die Organisation und Verwaltung zahlreicher Klein- und Großprojekte bestimmen heute ihren Alltag: Projekte vorantreiben, Spendengelder und Zuschüsse sammeln. Und immer die Sorge, das Überleben des Vereins und somit der Menschen in Ostafrika zu sichern. Unermüdlich versucht sie den Spagat zwischen deutschem Denken – vor der Umsetzung der Projekte alles bis ins Detail zu planen – und dem Notstand und der großen Bedürftigkeit der Ugander zu meistern. Ruhe und Ausdauer braucht sie auch, um geduldig das fremde Denken der Ostafrikaner zu verstehen. “Die meisten Menschen in Uganda denken nur an die nötigste Lebenssicherung” , so Schweizer-Ehrler. “Sie besitzen fast nichts und sind doch so froh. Das macht sie so sympathisch.”

Spenden:

Volksbank Herrenberg-Rottenburg,

BLZ 603 913 10; Konto: 445 357 010

Internet: www.tukolere-wamu.de
vorstand(at)tukolere-wamu(dot)de

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