HEITERSHEIM / BAD KROZINGEN (mo).
Als Melanie Sütterle aus Heitersheim und Miriam Fischer aus dem Bad Krozinger Ortsteil Schlatt vor etwas mehr als einem Jahr beschlossen, für fünf Monate in das Salem-Kinderdorf in Uganda zu gehen, bestand der Wunsch: Fort gehen und Menschen helfen. Über Land und Leute wussten sie nicht viel. Der 20-jährigen Miriam sollte es als Praktikum dienen zwischen ihrem sozialpädagogischen Abitur und dem angepeilten Sozialpädagogikstudium. Die 21-jährige angehende Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) Melanie erfüllte sich damit schlichtweg einen Traum.
Den Kontakt nach Afrika und einige Informationen in Form von Bildern und Erzählungen hatten sie von Gertrud Schweizer-Ehrler aus Gallenweiler, die dort zehn Jahre in der Entwicklungshilfe tätig war und heute noch als Vorsitzende des Afrikavereins “Tukolere Wamu – Gemeinsam für eine Welt” Projekte im Salem-Kinderdorf unterstützt.
Es blieb auch nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Melanie hatte im Februar 2002 noch ihr Examen zu machen und Miriam jobbte als Bedienung in einem Bad Krozinger Café ihr Reisegeld zusammen. In Internet und Apotheke machten sie sich über Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, Impfschutz und Prophylaxe schlau, organisierten alles nebenbei und freuten sich drauf.
Das Gespräch mit einer Freiburger Studentin, die im Salem- Kinderdorf gearbeitet hatte, brachte erste Zweifel. Die Mädchen fühlten sich entmutigt und bekamen Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Doch sie verdrängten solche Gedanken erfolgreich und konzentrierten sich auf die Zusammenstellung ihres Reisegepäcks. Dabei “half” auch Gertrud Schweizer-Ehrler, die ihnen zwei weiße Brautkleider zum Ausleihen und Berge von Medikamenten mit nach Uganda gab.
Richtig mulmig wurde ihnen erst, als sie im April im Flugzeug saßen. Doch sie redeten sich ihr Abenteuer gegenseitig schön. Nach vierzehn Stunden Flug und acht Stunden Aufenthalt in Dubai standen sie leicht nervös am Zielflughafen und warteten auf Denis Medeyi, den Projektleiter des Salem-Kinderdorfes. Eine halbe Stunde Verspätung ist allerdings in Uganda kein Drama. Und so fuhren sie zu viert auf der Rückbank seines Wagens die vier Stunden Wegstrecke. Transportkapazitäten werden hier ausgenutzt.
In einer verputzten Rundhütte teilten sich Melanie und Miriam ein Zimmer mit einem großen Bett und Moskitonetz. Das Bad benutzten sie gemeinsam mit einer Deutschen aus Stuttgart. Die Dusche war zwar einigermaßen rostig, aber für dortige Verhältnisse luxuriös. An das Essen gewöhnten sie sich bald: Morgens Omelette oder Fladenbrot, abends Maisbrei mit Bohnen. Ab und an ein frisch geschlachtetes Huhn oder Rindfleisch, das keine lückenlose Kühlkette nachweisen konnte. Sie aßen wie alle mit den Händen. Manchmal kochten sie allerdings auch selbst – Spagetti und Tomatensoße. Nach einiger Zeit sehnten sie sich nach Wurstbrot, Salat und Schokolade, verzichteten aber dennoch bei ihren Besuchen in der 15 Kilometer entfernten Stadt auf abgepackten teuren Käse oder Schinken.
Melanie sortierte zunächst mal Container mit Medikamenten, machte sich in der kleinen Krankenhausapotheke des Kinderdorfes nützlich, organisierte eine Medizin-Ausgabe für den Krankenhausbedarf und half, wo sie gebraucht wurde. Miriam war in den vier Häusern für zumeist Aidswaisen eingesetzt. Ihr Geschäft war Ordnung halten, Kleiderspenden sortieren und verteilen, einkaufen, Verwandte der Kinder aufsuchen, um nach drei Jahren Aufenthalt eine Wiedereingliederung der Waisen in die Stammeskultur vorzubereiten.
An der Ambulanz holten die Aids-Infizierten ihre Arznei und verschwanden wieder. Auf der Station lagen eher die Malariakranken und die Unterernährten. Vor allem Kinder, die viel zu spät gebracht wurden. Und so waren Melanie und Miriam konfrontiert mit Tod und lautem Wehklagen der Angehörigen. Für die HIV-positiven Kinder entwickelten die Mädchen schon bald einen Blick. Sie waren labil, oft krank und hatten fleckige, pustelige Haut mit offenen Stellen. Melanie erinnert sich, dass sie zunächst innerlich unwillkürlich einen Schritt zurückwich, wenn sie das sah, machte sich dann aber klar, dass keine Infektionsgefahr bestand, solange sie selbst keine Wunden hatte.
Ansonsten waren die Kinder, vor allem die Babys, der größte Schatz in der Oase von Salem. Melanie und Miriam genossen es, sie zu wickeln, zu baden und zu füttern. Mit den Schulkindern lernten sie, um deren Schulleistungen zu verbessern, die auch den ausländischen Sponsoren der Kinder mitgeteilt werden. Sie spielten mit ihnen und besuchten sie oft noch am Abend. Denn im Dorf wurde es schon früh still. Die Menschen gehen bei Dunkelheit ins Bett und stehen früh auf, um auf den Feldern für das Überleben zu sorgen.
Die beiden Mädchen hatten zwar mit Handy, CD-Player, Post aus der Heimat, hier und da Email-Kontakt im Internetcafé sowie ein paar Euros für Taxi und Urlaub mit Freunden aus Deutschland am Viktoriasee immer noch einige Privilegien, aber sie lernten die Lebensweise in Afrika schätzen: Keine Hektik, Zeit haben, Interesse am anderen zeigen, sich über Kleinigkeiten freuen, mit wenig zufrieden sein.
An manches von dem hätten sie sich gewöhnen können, hätten es mitnehmen mögen, als sie im September nach schmerzvollem Abschied abreisten. Aber der deutsche Lebenswandel holte sie schneller ein, als ihnen lieb war. Er überrollte sie, ohne ihnen Zeit zu lassen, wirklich anzukommen aus diesem anderen Leben. Melanie zieht nun nach München, Miriam nach Berlin. Arbeit und Studium werden manches überlagern. Aber das Abenteuer Uganda bleibt ihnen in Erinnerung. Und da sicher nicht nur die Tage, an denen sie mit Malaria im Bett lagen.
Kontaktadresse für Interessierte an dem Projekt des Salem-Kinderdorfes oder an einer Patenschaft mit Waisen:
Gertrud Schweizer-Ehrler, “Tukolere wamu”, In der Etzmatt 14, 79423 Heitersheim Tel/Fax: +49-7633-82150
E-mail:ehrler (at) tukolere-wamu (dot) de